Nutzniessung

Oliver S.
28.03.2023, 15:11
4 min

Nutzniessung: was ist das?

Angenommen, Sie möchten Ihr Haus oder Ihr Grundstück aus steuerlichen Gründen bereits zu Lebzeiten an Ihre Kinder vermachen. Um sicherzustellen, dass Sie weiterhin in dem Haus leben können, lassen Sie sich ein Nutzniessungsrecht im Grundbuch eintragen. 

Dies bedeutet, dass Sie das Haus gebrauchen und nutzen dürfen, jedoch nicht wesentlich verändern, belasten oder veräussern. Dies bedeutet auch, dass mögliche Mieteinnahmen einer Einliegerwohnung Ihnen weiterhin zustehen und Sie zudem für kleinere Reparaturen, Abgaben, Steuern und Versicherungen selbst zuständig sind. Fallen grössere Massnahmen an, wie ein neues Dach, geht dies allerdings zulasten der Eigentümer – in unserem Beispiel also den Kindern. 

Im Grunde kann die Nutzniessung auf einen beliebigen Vermögenswert übertragen werden. Es handelt sich um eine persönliche Dienstbarkeit, die nicht weitergegeben oder vererbt werden kann. Zur Rechtsgültigkeit muss eine Nutzniessung öffentlich bei einem Notar Ihres Kantons beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden. 

Was ist Nutzniessung? Verschiedene Arten

Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten von Nutzniessung:

Einräumung einer Nutzniessung unter Lebenden

Die geläufigste Form der Nutzniessung tritt durch die öffentliche Beurkundung einer Vereinbarung unter Lebenden in Kraft. Meist ist dies der Fall, wenn Eltern ein Haus oder Grundstück mittels Schenkung an Ihre Kinder abtreten und gleichzeitig sicherstellen wollen, dass sie zu ihren Lebzeiten das uneingeschränkte Nutzungsrecht an der Immobilie behalten. 

Recht auf Nutzniessung laut Testament

Stirbt ein Elternteil, kann es eine Immobilie einerseits bereits an seine Kinder vererben, jedoch andererseits dem überlebenden Partner ein lebenslanges Niessbrauchrecht einräumen. Hierbei darf allerdings der begünstigte Partner keine eigenen Eigentumsrechte an der Immobilie (mehr) besitzen. 

Recht auf Nutzniessung per Gesetz

In Artikel 218 ZGB heisst es dazu: «Damit der überlebende Ehegatte seine bisherige Lebensweise beibehalten kann, wird ihm auf sein Verlangen am Haus oder an der Wohnung, worin die Ehegatten gelebt haben und die dem verstorbenen Ehegatten gehört hat, die Nutzniessung oder ein Wohnrecht auf Anrechnung zugeteilt; vorbehalten bleibt eine andere ehevertragliche Regelung.» 

Realadvisor Kostenlose Immobilienbewertung

Rechte und Pflichten, die sich für den Nutzniesser ergeben

Als Nutzniesser eines Vermögensgegenstandes, meist einer Liegenschaft, hat man eine Reihe an Rechte und Pflichten, die wir nachfolgend erläutern:

Recht auf den Besitz 

In Artikel 755 ZGB ist geregelt, dass der Nutzniesser das Recht auf den Besitz der Sache hat. 

Recht auf Gebrauch und Nutzung der Sache

Im selben Artikel wird dem Nutzniesser das Recht auf Verwaltung, Gebrauch und Nutzung der Sache eingeräumt. Hierbei hat der nach den Regeln einer sorg­fältigen Wirtschaft zu verfahren.

Bei einem Haus steht es dem Nutzniesser frei, dieses selbst zu bewohnen, zu vermieten oder leer stehen zu lassen. Er darf es allerdings nicht zweckentfremden, weitläufig umbauen oder gar veräussern. Bei der Nutzung entstehende Abnutzungserscheinungen hat der Eigentümer zu dulden. 

Recht auf Fruchtziehung

In Artikel 745 des Zivilgesetzbuches (ZGB) heisst es dazu: «Sie verleiht dem Berechtigten, wo es nicht anders bestimmt ist, den vollen Genuss des Gegenstandes.»  Damit hat der Nutzniesser das Recht auf alle Einnahmen aus dem Gegenstand (z. B. Haus). 

Pflicht zum Erhalt und Unterhalt

Der Nutzniesser hat laut Artikel 764 ZGB die Pflicht, «den Gegenstand in seinem Bestande zu erhal­ten und Ausbesserungen und Erneuerungen, die zum gewöhnlichen Unterhalte gehören, von sich aus vorzunehmen.»

Ferner muss der Nutzniesser den Eigentümer über anstehende, grössere Instandhaltungsmassnahmen informieren. Wird dieser nicht tätig, können die Arbeiten durch den Nutzniesser veranlasst und dem Eigentümer in Rechnung gestellt werden. 

Alle Kosten, die im Kontext des zweckmässigen Unterhalts entstehen, trägt der Nutzniesser. Hierzu zählen insbesondere Steuern, Versicherungen und kantonale Abgaben. 

Kostenverteilung zwischen Eigentümer und Nutzniesser

Die Aufteilung der Kosten ist klar geregelt:

EigentümerNutzniesser
Aussergewöhnliche Reparaturen und Instandsetzungen (neues Dach, Heizung)Kosten für den gewöhnlichen UnterhaltAllgemeine NebenkostenAnfallende Ausbesserungen wie der Unterhalt von Wegen und LeitungenZinsen für eine HypothekVersicherungsprämien

Abgrenzung Wohnrecht vs. Nutzniessung

Worin liegt der Unterschied zwischen einer Nutzniessung und der Einräumung eines Wohnrechtes? Im Prinzip ist das Wohnrecht die kleine Schwester der Nutzniessung. Viele Rechte und Pflichten sind ähnlich, jedoch deutlich eingeschränkter beim Wohnrecht. In der Nutzniessung liegen die Nachteile in der Tatsache, dass man als Nutzer für alle Unterhaltskosten selbst aufkommen muss. 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

NutzniessungWohnrecht
Öffentliche Beurkundung und Eintragung ins Grundbuchjaja
Kann durch Vertrag unter Lebenden oder per Testament entstehenjaja
Haus oder Wohnung kann weitervermietet werdenjanein
Übertragung des Nutzungsrechts auf Drittejanein
Pflicht des Erhalts und Unterhaltsjanein
Realadvisor Die besten Hypotheken

Beendigung einer Nutzniessung

Artikel 749 des Zivilgesetzbuches regelt die Beendigung der Nutzniessung wie folgt:

«Die Nutzniessung endigt mit dem Tode des Berechtigten und für juristische Personen mit deren Auflösung. Sie kann jedoch für diese höchstens 100 Jahre dauern.» Eine Nutzniessung auflösen, ist (fast) nicht möglich.

Nutzniessung: Die Quintessenz
  • Eine Nutzniessung muss öffentlich durch einen Notar beurkundet werden.
  • Der Nutzniesser hat den Besitz (aber nicht das Eigentum) an einem Vermögensgegenstand.
  • Er kann die Sache selbst nutzen oder an einen Dritten weitergeben und dafür eine Miete verlangen.
  • Für alle Kosten des normalen Unterhalts, kleine Reparaturen, Abgaben und Versicherungen ist der Nutzniesser zuständig.

Quellen

FAQ

Darf der Eigentümer eine Immobilie veräussern, wenn auf der Liegenschaft eine Nutzniessung eingetragen ist?

Auch ohne Einwilligung des Nutzniessers darf der Eigentümer der Liegenschaft diese jederzeit verkaufen, jedoch wird dies schwierig sein, da ein neuer Eigentümer keine Einnahmen damit erzielen und frei darüber verfügen kann.

Warum sollte ich auf eine Nutzniessung bei meiner Liegenschaft abzielen und nicht auf ein Wohnrecht?

In beiden Fällen erhalten Sie bei der Schenkung der Liegenschaft an Ihre Kinder das uneingeschränkte Recht, in der Immobilie zu wohnen. Eine Nutzniessung hat den grossen Vorteil, dass Sie die Immobilie ggf. weitervermieten können, wenn Sie in eine Pflegeeinrichtung wechseln müssen und so die Einnahmen für den Unterhalt der Kosten nutzen können.

Welchen Vorteil hat für mich als Alteigentümer (Übergeber) einer Immobilie das Wohnrecht im Vergleich zur Nutzniessung?

Wenn für Sie eine spätere Weitervermietung der Immobilie nicht interessant ist, kommen Sie unter Umständen mit einem Wohnrecht besser, da Sie keinerlei Kosten (ausser die üblichen Betriebskosten) zahlen müssen.

Muss ich für die Eintragung einer Nutzniessung zu einem Notar?

Ja, ein Vertrag zur Nutzniessung muss von einem Notar öffentlich beurkundet werden und im Grundbuch eingetragen.

Was passiert, wenn der Nutzniesser seiner Pflicht zum Unterhalt der Immobilie nicht nachkommt?

Als Nutzniesser ist man gesetzlich dazu verpflichtet, «den Gegenstand in seinem Bestande zu erhal­ten und Ausbesserungen und Erneuerungen, die zum gewöhnlichen Unterhalte gehören, von sich aus vorzunehmen.»

Kommt man dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Eigentümer zunächst eine Sicherheitsleistung verlangen, ausser er hat die Immobilie von dem Nutzniesser selbst erhalten.

Wird der Pflicht trotz Einspruch weiterhin nicht nachgekommen, kann das Gericht das Haus entziehen. Auch kann der Eigentümer die Immobilie besichtigen. Wird ihm dies verwehrt, kann er sich durch einen gerichtlichen Beschluss Zugang verschaffen.

Was bedeutet Nutzniessung?

Bei der Nutzniessung wird ein Haus oder Grundstück auf eine dritte Person übertragen und gleichzeitig ein lebenslanges Recht eingeräumt, aus der Immobilie weiterhin die Früchte zu ziehen. Man darf das Haus bewohnen und muss für den Unterhalt aufkommen. Man darf es jedoch nicht verkaufen oder belasten.

Oliver S.
Oliver S. schreibt seit 15 Jahren über den Immobilienmarkt. Er ist auf Immobilien spezialisiert und betreibt seit 2012 einen professionellen Blog mit bislang über 1'000 Artikeln und etwa 1 Million Seitenaufrufen pro Jahr. Darüber hinaus hat er in den letzten Jahren 5 Bücher über Management und Führung veröffentlicht.